Das Bildungssystem ist durch eine Reihe von Übergängen gekennzeichnet: Das Kind tritt in den Kindergarten ein, wechselt in die Schule, später von der Unterstufe in die Oberschule oder in die Berufsschule.
Übergänge (Transitionen) sind komplexe Wandlungsprozesse, die der einzelne Mensch in der Auseinandersetzung mit seiner sozialen Umwelt durchläuft, und zwar über die gesamte Lebensspanne hinweg. Die Veränderungen der Lebensumwelten sind mit markanten Anforderungen verbunden und können Belastungsfaktoren darstellen. Die Anpassung an die neue Situation muss in relativ kurzer Zeit in konzentrierten Lernprozessen geleistet und bewältigt werden. Das Kind und seine Familie bringen Ressourcen zur Bewältigung des Übergangs mit. In den Blickpunkt des Transitionsansatzes rücken die aus einer Bewältigung des Übergangs resultierenden Chancen und Entwicklungsimpulse, insbesondere für den Erwerb von Kompetenz zum Umgang mit Veränderung und zur Erschließung von Lernangeboten in einem neuen Lebensumfeld.
Das Kind wird zum Kindergartenkind, seine Eltern werden Eltern eines Kindergartenkindes. Das Kind wird ein Schulkind, seine Eltern werden Eltern eines Schulkindes. Erfolgreich bewältigte Übergänge erhöhen die Chancen für eine erfolgreiche Bewältigung nachfolgender Übergänge. Damit kommt der Gestaltung von Übergängen eine besondere Bedeutung zu.
Der Wechsel zwischen zwei Kindergärten oder von einer Grundschule in die andere (z.B. in Folge eines Umzugs) ist zwar auch mit komplexen Anforderungen für alle Beteiligten verbunden, nicht aber mit Veränderungen auf der Identitätsebene, wie sie für Transitionen kennzeichnend sind.
Entsprechend dem unterschiedlichen Alter und der unterschiedlichen Entwicklung von Kindern und ihres familialen Hintergrundes sind Übergänge individuelle Herausforderungen, die individuell gestaltet werden.
Für die Zusammenarbeit mit den Eltern ist die Berücksichtigung des Umstandes wesentlich, dass die Eltern selbst einen Übergang bewältigen. Sie begleiten also nicht nur den Übergang der Kinder, sondern sind durch die Bewältigung des eigenen Übergangs (Eltern eines Kindergarten- oder Schulkindes zu sein) zusätzlich beansprucht.
Die erfolgreiche Bewältigung von Übergängen ist als Prozess von Kommunikation und Partizipation zu verstehen, der von allen am Übergang Beteiligten gemeinsam und co-konstruktiv geleistet wird. Die Personen, die den Übergang begleiten, machen es sich zum Ziel, ein Transitionsprogramm zu erarbeiten, an dem sich alle beteiligen. Ein solches Programm umfasst eine Verständigung über Herausforderungen und Bewältigungsprozesse, die Festlegung von Zielen und die Überprüfung der Ergebnisse.
3.5.1 Der Übergang von der Familie in den Kindergarten
Viele Kinder bewältigen ihren ersten Übergang, wenn sie den Kindergarten besuchen. Die Zahl der Kinder, die vor dem Kindergarten die Kindertagesstätte oder den Kinderhort besuchen, ist jedoch im Steigen begriffen, sodass diese Kinder bereits den zweiten Übergang bewältigen, wenn sie den Kindergarten besuchen.
Der Übergang von der Familie in den Kindergarten ist von großer Bedeutung. Dies wird für Kinder unter drei Jahren besonders spürbar, gilt aber auch für ältere Kinder, die den Kindergartenbesuch erstmals aufnehmen. Die Entwicklung des einzelnen Kindes und Merkmale seiner Familie werden berücksichtigt.
Die Kompetenz zur erfolgreichen Bewältigung eines Übergangs bezieht sich nicht nur auf das einzelne Kind, sondern auch auf die beteiligten sozialen Systeme.
Die Beteiligten verständigen sich darüber, welchen Beitrag jeder Einzelne zur erfolgreichen Bewältigung leisten kann. Je besser dieser Austausch gelingt, desto eher wird das Kind von der neuen Bildungseinrichtung profitieren. Auch die Eltern bewältigen ihren eigenen Übergang dann leichter und können ihr Kind besser unterstützen.
Der von Anfang an geführte Dialog dient dazu, dass einerseits Eltern und Kind den Kindergarten und andererseits die Fachkräfte das Kind und seine Familie kennen lernen. Eine Vertrauensbasis ist die beste Voraussetzung für eine gute Begleitung von Eltern und Kind in der Übergangssituation; sie begünstigt auch das möglichst frühe Erkennen von Problemen mit der Übergangsbewältigung.
Eine erfolgreiche Bewältigung des Übergangs ist nicht nur für Kinder, sondern darüber hinaus auch für Eltern und die am Übergang beteiligten Institutionen ein Ziel.
Ein Übergang ist dann erfolgreich bewältigt, wenn das Kind sich mit seiner neuen Identität, d.h. ein Kindergartenkind zu sein, wohl fühlt und die jeweiligen Bildungsangebote gut für sich nutzen kann.
Die Fachkräfte benötigen für eine erfolgreiche Gestaltung des Übergangs die Bereitschaft, sich auf neue Kinder einzustellen, auf deren individuelle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Persönlichkeit einzugehen, Kinder bei der Trennung von den Eltern zu unterstützen und ihnen dabei behilflich zu sein, sich in der neuen Umgebung einzuleben. Eltern werden über den Kindergarten und den Verlauf der Eingewöhnung sowie über den Prozess der Neuorientierung informiert und bei Bedarf unterstützt.
3.5.2 Der Übergang vom Kindergarten in die Grundschule
Die meisten Kinder sind hoch motiviert, sich auf den neuen Lebensraum Schule einzulassen, auch wenn dies mit Unsicherheit über das umfassend Neue und Wichtige verbunden ist. Wenn Kinder auf vielfältige Erfahrungen und Kompetenzen aus ihrer Zeit im Kindergarten zurückgreifen können, sind die Chancen hoch, dass sie dem neuen Lebensabschnitt selbstbewusst, zuversichtlich und aufgeschlossen entgegensehen. Eltern sind ihrerseits häufig unsicher, wenn die Einschulung ansteht. Sie befürchten, dass ihr Kind den Anforderungen in der Schule noch nicht gewachsen sei. Auch hier hilft es den Eltern, wenn sie während der Kindergartenzeit im steten Austausch mit den Fachkräften stehen und den Prozess der Entwicklung und des Lernens ihres Kindes mitverfolgen und kennen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule klärt die Anschlussfähigkeit der pädagogischen Arbeit hinsichtlich Bildungsinhalten und Lernmethoden sowie, unter Beteiligung der Eltern, im Hinblick auf wichtige und hilfreiche Informationen über die Kinder. Ein gemeinsames Programm fördert die Bewältigung des Überganges für die Kinder.
Die notwendigen Voraussetzungen für den Anschluss zwischen den Systemen Kindergarten und Grundschule werden mit dem Begriff »Schulfähigkeit « beschrieben. Dabei gilt es, den Blick nicht nur auf das Kind mit seinem Sozial- und Leistungsverhalten in unterschiedlichen Kompetenzbereichen zu richten, das zum Zeitpunkt der Einschulung vorausgesetzt wird. Die Aufmerksamkeit gilt gleichermaßen dem Bewältigungsprozess des Kindes bei seinem Übergang zum Schulkind und der Begleitung dieses Prozesses. Dies erfordert, dass die pädagogischen Fachkräfte in den Kindergärten und die Lehrkräfte in den Schulen ihr professionelles, kooperatives Handeln im Hinblick auf das einzelne Kind intensivieren und die »Kindfähigkeit« der Einrichtungen optimieren.
Das Kind erwirbt Kompetenzen, um zusammen mit den Eltern und anderen Beteiligten die neuen und herausfordernden Aufgaben zu bewältigen, die mit dem Wechsel in die Schule verbunden sind. Das Wohlbefinden des Kindes in der Schule ist die Voraussetzung dafür, dass es sich die Bildungsangebote optimal erschließt.
3.5.3 Der Übergang von der Einrichtung für die frühe Kindheit in den Kindergarten
Der Übergang von der Kindertagesstätte oder vom Kinderhort in den Kindergarten gewinnt an Bedeutung, weil immer mehr Kinder, vor allem in den Städten und großen Gemeinden diese Einrichtungen besuchen. Die aufgezeigten Aspekte gelten genauso für den Übergang von der Kindertagesstätte oder vom Kinderhort in den Kindergarten. Dabei wird mit diesen Einrichtungen eng zusammengearbeitet, um den Übergang als verträglichen Anschluss und gelingenden Neuanfang zu gestalten.