(1) Das Bildungssystem des Landes zielt auf die Entwicklung und Förderung der einzelnen Personen und auf den Erwerb von demokratischen Haltungen und sozialen Kompetenzen ab, die zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft befähigen. Dies erfolgt unter Berücksichtigung der dem Alter entsprechenden Entwicklungsphasen, der Unterschiede und Identität jedes und jeder Einzelnen, und in Zusammenarbeit zwischen Schule und Eltern sowie im Einklang mit den Grundsätzen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der internationalen Konvention über die Rechte des Kindes, der Verfassung und des Autonomiestatuts.
(2) Das Land verwirklicht diese Ziele - unter Beachtung der Autonomie der Kindergärten und Schulen - durch seine Bildungspolitik und fördert:
- a) die kulturelle, soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Bevölkerung,
- b) ein soziales Umfeld, welches das Zusammenleben der Sprachgruppen unter Wahrung ihrer besonderen Merkmale und Traditionen gewährleistet,
- c) die Verbreitung und Festigung der europäischen Gesinnung und Kultur, die auf christlichen Wurzeln aufbaut,
- d) die Kenntnis der lokalen Geschichte, um die Schülerinnen und Schüler mit der historischen Entwicklung des Landes und dem kulturellen Leben der Heimat vertraut zu machen.
(3) Um den Bildungserfolg jeder Person zu fördern, setzt sich das Land die Verwirklichung von Maßnahmen zum Ziel, die das Recht auf Zugang zu allen Bildungsstufen, auf gleiche Bildungschancen, auf eine qualitative und quantitative Erweiterung des Bildungsangebotes und auf ein lebensbegleitendes Lernen gewährleisten. Diese Maßnahmen zielen weiters auf die Orientierung und Eingliederung in die Arbeitswelt sowie auf die Förderung der Fähigkeit ab, Veränderungen zu bewältigen und sich in einer komplexer werdenden Welt zu orientieren.
(4) Das Bildungssystem des Landes gewährleistet allen das Bildungsrecht ab dem Kindergarten sowie die Erfüllung der Pflicht einer Schul- und Berufsbildung für mindestens zwölf Jahre oder jedenfalls bis zur Erlangung einer mindestens dreijährigen beruflichen Qualifikation innerhalb des achtzehnten Lebensjahres.
(5) Das Bildungssystem des Landes gliedert sich in den Kindergarten, die Unterstufe, welche die Grund- und Mittelschule umfasst, sowie in die Oberstufe, welche die Oberschulen staatlicher Art und die Berufs- und Fachschulen des Landes umfasst. Auch die Musikschulen sind Teil des Bildungssystems des Landes. 3)
(6) Das Bildungsrecht und die Bildungspflicht werden auch in den vom Land gleichgestellten und anerkannten Privatschulen sowie im Rahmen des Elternunterrichts verwirklicht. 4)
(6-bis) Falls die Erfüllung der Schul- und Bildungspflicht in einer vom Land anerkannten Privatschule verwirklicht wird, müssen die Schüler und Schülerinnen am Ende der Grundschule eine Eignungsprüfung ablegen, um zur nächsten Schulstufe bzw. als Privatisten und Privatistinnen zur staatlichen Abschlussprüfung der Unterstufe zugelassen zu werden. Die Eignungsprüfung ist auch dann abzulegen, wenn die Einschreibung in eine Schule staatlicher Art, in eine Berufs- oder Fachschule des Landes oder in eine gleichgestellte Schule beantragt wird. 5)
(6-ter) Falls die Erziehungsverantwortlichen im Rahmen des Elternunterrichts für die Erfüllung der Schul- und Bildungspflicht sorgen, ist dies jährlich der Schulführungskraft der gebietsmäßig zuständigen Schule staatlicher Art der Unterstufe bzw. bei der gewählten öffentlichen Schule der Oberstufe mitzuteilen. In dieser Mitteilung müssen die Erziehungsverantwortlichen mittels Ersatzerklärung einer beeideten Bezeugungsurkunde gemäß Artikel 46 und 47 des Dekrets des Präsidenten der Republik vom 28. Dezember 2000, Nr. 445, im Bewusstsein der von Artikel 76 des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 445/2000 vorgesehenen strafrechtlichen Folgen im Falle einer unwahren Erklärung oder Beurkundung:
- nachweisen, dass ein verpflichtendes Beratungsgespräch an der Schule, bei einem Experten/einer Expertin des Referats psychopädagogische Beratung der Pädagogischen Abteilung oder bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft durchgeführt wurde,
- erklären, welche Personen den Elternunterricht erteilen und über welche Qualifikationen sie verfügen,
- erklären, auf welche Art und Weise sie das Erreichen der in den Rahmenrichtlinien des Landes bzw. Lehrplänen festgelegten Bildungsziele sicherstellen, indem sie ein Programm vorlegen und im Detail darlegen, wie der Unterricht geplant und durchgeführt wird. 6)
(6-ter.1.) Die Mitteilung auf Inanspruchnahme des Elternunterrichts laut Absatz 6-ter für das darauffolgende Schuljahr ist in der Regel innerhalb des Zeitraums für die Einschreibungen in die Schule oder spätestens bis zur Ausschlussfrist vom 31. Juli zu stellen. Der Elternunterricht ist für die Dauer eines gesamten Schuljahres durchzuführen; davon ausgenommen sind Situationen, die entsprechend begründet werden müssen. Die Schulführungskraft bzw. eine von ihr beauftragte Lehrperson kann im Laufe des Schuljahres Unterrichtsbesuche durchführen, wobei auch die sozioemotionale Kompetenz des oder der Minderjährigen beurteilt wird. Falls ein begründeter Verdacht darüber besteht, dass die Ausübung des Bildungsrechts des oder der Minderjährigen gefährdet ist, kann die Schulführungskraft bereits nach dem ersten Bewertungsabschnitt jene Schritte in die Wege leiten, die laut den geltenden Bestimmungen bei einer Verletzung der Schul- und Bildungspflicht vorgesehen sind. Die Minderjährigen, die sich im Elternunterricht befinden, müssen für den Aufstieg in die nächste Klasse und bis zur Erfüllung der Schul- und Bildungspflicht jährlich die Eignungsprüfung als externe Kandidatinnen/Kandidaten an jener Schule ablegen, bei der die Mitteilung über die Inanspruchnahme des Elternunterrichts eingereicht wurde. 7)
(6-quater) 8)
(7) Die geltenden Bestimmungen zur Verwirklichung der Schulpflicht sowie des Bildungsrechts und der Bildungspflicht bleiben aufrecht; diese können sowohl in den Schulen staatlicher Art als auch in den Landesberufsschulen erfüllt werden.
(8) Die Nutzung der Bildungsangebote stellt für alle, einschließlich der Minderjährigen mit Migrationshintergrund, die sich in der Provinz Bozen aufhalten, ein subjektives Recht und eine soziale Pflicht dar. Durch geeignete Maßnahmen wird die Integration und Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigung im Bildungssystem des Landes gewährleistet.
(9) Zur Verwirklichung der Schulpflicht und des Bildungsrechts und der Bildungspflicht tragen die Schülerinnen und Schüler, deren Familien, die Kindergärten, die Schulen und Einrichtungen für die Berufsbildung, die Betriebe, welche die Jugendlichen mit einem Lehrlingsvertrag anstellen, sowie andere Bildungseinrichtungen und -organisationen bei. Die Kindergärten und Schulen pflegen dabei eine besondere Zusammenarbeit mit den Musikschulen des Landes. 9)
(10) Die Entfaltung und Entwicklung der Person und die Befähigung zum Leben in der Gemeinschaft werden im Bildungssystem des Landes durch Bildungswege gefördert, die den Fähigkeiten und Neigungen des Einzelnen und der Einzelnen entsprechen, diese gezielt weiterentwickeln und zu einem umfassenden Bildungserfolg führen.
(11) Die Landesregierung definiert durch die Schülerinnen- und Schülercharta die Rechte und Pflichten der Schülerinnen und Schüler und legt Richtlinien für Maßnahmen zur Bildungsorientierung, zur Vorbeugung und Vermeidung von Schulabbrüchen fest, um die vollständige Verwirklichung des Bildungsrechts und der Bildungspflicht zu gewährleisten.
(12) Die Kindergartensprengel und Schulen fördern im Rahmen ihrer Autonomie die Individualisierung und Personalisierung des Lernens der Kinder sowie der Schülerinnen und Schüler; diese sind die Hauptakteure und die Zielgruppe des Bildungssystems des Landes. Die Kindergartensprengel und Schulen definieren das Curriculum mit dem Ziel, Bildungswege zu verwirklichen, die den Neigungen und Bildungsbedürfnissen jedes Kindes sowie jeder Schülerin und jedes Schülers entsprechen, und wenden geeignete Instrumente der Lernberatung und Orientierung sowie der Dokumentation an.
(13) Für jene Schülerinnen und Schüler, die auf die Teilnahme am Katholischen Religionsunterricht verzichten, ist der verpflichtende Besuch eines alternativen Bildungsangebotes vorgesehen. Die Landesregierung genehmigt die entsprechende Durchführungsverordnung. 10)