(1) Die Bewertung der Sicherheit bestehender Brücken ist in der Regel von einem zur statischen Abnahme befähigten Ingenieur aufgrund eines ausführlichen und prüfbaren rechnerischen Nachweises durchzuführen; vorbehaltlich der Absätze 12 und 15 dienen als Grundlage Erhebungen am Bauwerk sowie die Feststellung der mechanischen Eigenschaften wie Festigkeiten und Abmessungen der tragenden Bauteile.
(2) Für Brücken mit einer Spannweite von mehr als 6,00 Metern ist der rechnerische Nachweis durch eine Verhaltensanalyse aufgrund eines Belastungsversuchs am Tragwerk in Abhängigkeit von den rechnerischen Lasten zu erbringen.
(3) Bei besonders bedeutungsvollen Bauwerken ist das dynamische Verhalten des Überbaus für mindestens die ersten drei Eigenschwingungsformen sowohl rechnerisch als auch mittels Modellversuchen zu belegen, mit einer genauen Beschreibung der Erregungsverfahren und der Wetterbedingungen (Temperatur, Windgeschwindigkeit).
(4) Die Bewertung der Sicherheit bestehender Brücken darf auf den Nachweis für den Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) oder auf den Nachweis für den Grenzzustand bezüglich der Sicherheit von Menschenleben (GZM) beschränkt werden. Die Bewertung enthält den genauen Sicherheitswert, aufgrund dessen festgelegt wird, ob
- das Tragwerk im gegenwärtigen Zustand belassen werden kann,
- die zulässigen Verkehrslasten auf der Brücke herabgesetzt werden müssen,
- die Tragfähigkeit der Brücke erhöht oder wiederhergestellt werden muss.
(5) Der Sicherheitswert ist in Abhängigkeit von eventuellen Folgen des Tragwerksversagens festzulegen. Die Auswirkungsklassen werden in diesem Zusammenhang wie folgt festgelegt:
- „CC1 low“: Brücken, deren tragende Bauteile eine Spannweite von höchstens 6,00 Metern aufweisen, mit duktilem Verhalten und Auskragungen bis zu 1,25 Meter, bei denen Verformungen vor dem Versagen erkennbar sind (einfach gelagerte Gewölbe oder Träger),
- „CC2 medium“: Brücken, die aufgrund besonderer konstruktiver Eigenschaften nicht in die Klasse CC1 fallen, Brücken, deren tragende Bauteile eine Spannweite zwischen 6,01 und 20,00 Metern aufweisen, Brücken beliebiger Spannweite mit duktilem Verhalten, bei denen Verformungen vor dem Versagen erkennbar sind, mit einer durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke (DTV) von bis zu 8.000 Fahrzeugen und befahrbaren Auskragungen von mehr als 1,25 Meter mit einer DTV von bis zu 8.000 Fahrzeugen,
- „CC3 high“: Brücken, die aufgrund besonderer konstruktiver Eigenschaften nicht in die Klasse CC2 fallen, Brücken mit einer Spannweite über 20,00 Metern, einer DTV von mehr als 8.000 Fahrzeugen und befahrbaren Auskragungen von mehr als 1,25 Meter mit einer DTV von mehr als 8.000 Fahrzeugen.
(6) In geschlossenen Ortschaften mit mehr als 10.000 Einwohnern wird in Anbetracht des geringen Anteils des Schwerverkehrs im Vergleich zum Leichtverkehr der Richtwert für die DTV von 8.000 auf 16.000 erhöht.
(7) Für die Auswirkungsklasse CC1 darf der Sicherheitswert herabgesetzt werden, indem für den seltenen Lastfall eine Verkehrslast zugelassen wird, bei welcher die Vorgaben für die Spannungen für den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit erfüllt werden (Spannungen in den Werkstoffen innerhalb der rechtlichen Richtwerte – Beanspruchung kompatibel mit den Ergebnissen aus Modellversuchen).
(8) Für die Auswirkungsklasse CC2 darf der Sicherheitswert wie für CC1 herabgesetzt werden, sofern durch Messungen oder Erhebungen die maßgeblichen Kennwerte ausreichend überwacht und nachverfolgt werden; die Anzahl der Erhebungen ist der Herabsetzung der Sicherheit anzupassen (Ausgleich der Sicherheit durch Überwachung der zeitlichen Entwicklung der Mängel oder des Verfalls am Bauwerk).
(9) Für die Auswirkungsklasse CC3 muss der Sicherheitswert den Vorschriften über die Planung neuer Brücken entsprechen. Der Sicherheitswert darf in Einzelfällen herabgesetzt werden, wenn etwa die Brücken von Sonderfahrzeugen befahren werden.
(10) Das rechnerische Tragwerksmodell kann vom Prüfingenieur festgelegt werden; die Sicherheitsbeiwerte für die Einwirkungen aus Eigengewicht und ständigen Lasten können in Abhängigkeit vom Bekanntheitsgrad dieser Einwirkungen herabgesetzt werden.
(11) Bei der Bewertung der Sicherheit sind in der Regel die Art und die Häufigkeit der Prüfungen und Überwachungsmaßnahmen laut Artikel 6 zu berücksichtigen.
(12) Der Sicherheitswert für Verkehrslasten darf bei bestehenden Brücken mit einem einfachen statischen System (Gewölbe, einfach gelagerte Träger oder einfache Rahmen) auch ohne rechnerischen Nachweis mit einem Belastungsversuch festgestellt werden; das Tragwerk muss sich im elastischen Bereich normal verhalten und die aufgebrachten Einwirkungen dürfen keine Verschlechterung der vorhandenen Mängel hervorrufen. Die Absätze 13 und 14 bleiben dabei aufrecht. Die Zuverlässigkeit auf Dauer dieser Erhebungen ist durch ein angemessenes Überwachungsprogramm und/oder durch Prüfungen zu gewährleisten, je nach dem vom Prüfingenieur festgestellten allgemeinen Zustand und dem vorhandenen Schadensbild.
(13) Bei Brücken der Klasse CC3 und in begründeten Fällen bei Brücken anderer Klassen ist der Sicherheitswert durch Aufnahme der geometrischen und mechanischen Kennwerte und durch den rechnerischen Nachweis laut den Absätzen 1 bis 11 festzustellen.
(14) Vorübergehend darf der Sicherheitsgrad für Brücken der Klasse CC3 nach den Modalitäten laut Absatz 12 bewertet werden; in diesem Falle beträgt die Gültigkeit der Bewertung höchstens fünf Jahre oder, auf Anweisung des Abnahmeprüfers, weniger.
(15) Bei Brücken mit einer Spannweite bis zu 2,40 Metern kann die Gebrauchstauglichkeit durch eine Probebelastung mit einem Schwerfahrzeug festgestellt werden; nach der Probefahrt dürfen keine Schäden oder plastische Verformungen feststellbar sein.