Der Erwerb sprachlicher Kompetenz ist einer der wichtigsten Aspekte der menschlichen Entwicklung und grundlegende Voraussetzung für Kommunikation und damit für den Zugang zur Welt.
Die Entwicklung von Sprache und Sprechen stellt einen komplexen, interaktiven und co-konstruktiven Prozess dar, der bereits vor der Geburt beginnt und lebenslang andauert. Der Spracherwerb vollzieht sich vor allem in der Interaktion mit anderen Menschen. Von Anfang an tritt das Kind mit seinem Umfeld in Dialog, und zwar mittels Gestik, Mimik und Lauten. Es lernt Sprache nicht nur über Nachahmung, sondern stellt, zunächst unbewusst, eigenständig Hypothesen darüber auf, wie Sprache aufgebaut ist. Dabei wird dem Prozess des kindlichen Erwerbs der zweiten Sprache und der besonderen Rolle der Erstsprache, als Grundlage für das Erlernen weiterer Sprachen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Sprachen bilden sich in einer sozialen Umgebung mit vielfältigen sprachlichen Anregungen und Spielanlässen heraus, die das Lernen über alle Sinne in den Mittelpunkt stellen. Am besten lernt das Kind Sprache im persönlichen Kontakt mit einer ihm zugewandten Bezugsperson und im positiven sozialen Kontakt mit Personen, die ihm wichtig sind. Dabei werden sprachliche Kompetenzen am erfolgreichsten im Zusammenhang mit Handlungen erworben, die für das Kind selbst Sinn ergeben und sein Interesse aufgreifen. Die Bezugspersonen sind sprachliche Vorbilder für das Kind. Den pädagogischen Fachkräften kommt dabei eine besondere Aufgabe zu. Eine Stärkung der sprachlichen Kompetenz berücksichtigt und nutzt diese Aspekte und bezieht alle Bildungsorte kindlicher Entwicklung mit ein.
Sprache entwickelt sich in vielfältigen Lebenszusammenhängen – in der Familie, in Alltagssituationen, in Bildungseinrichtungen. Das sprachliche Klima und das Bildungsniveau der Familie haben einen großen Einfluss auf die Qualität der sprachlichen Entwicklung eines Kindes. Kinder mit wenig sprachlicher Anregung in ihrer Familie sind in ihrer sprachlichen Entwicklung häufig benachteiligt und brauchen außerhalb ihrer Familie besonders vielfältige sprachliche Lernchancen. Ebenso erhalten Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, im Kindergarten zusätzlich gezielte sprachliche Angebote, wobei zur Sprachförderung auch die Wertschätzung der Familiensprachen und eine aktive Zusammenarbeit mit den Eltern gehören.
Sprachliche Bildung muss die gesamte Kindheit begleiten. Sie stellt ein durchgängiges Prinzip im pädagogischen Alltag dar und wird in alle Bildungsfelder miteinbezogen und als langfristiger, ganzheitlicher Prozess verstanden.
Der Erwerb sprachlicher Kompetenz hat verschiedene Dimensionen. Zu diesen gehören nonverbale Aspekte von Sprache und Kommunikation, der mündliche Sprachgebrauch, der Einblick in die Schriftsprache, die Entwicklung von schriftsprachlicher Kompetenz sowie Zwei- und Mehrsprachigkeit.
Die Stärkung der Interessen und Kompetenzen, die sich auf diese Dimensionen beziehen, sind für die sprachliche Entwicklung und Stärkung des Kindes insgesamt von großer Bedeutung.
Die Sprachensituation in Südtirol ist durch sprachliche Vielfalt gekennzeichnet. Neben den drei Landessprachen Deutsch, Italienisch und Ladinisch gibt es zunehmend andere Erstsprachen von Menschen, die zugewandert sind. Die zahlreichen Dialekte und die Hochsprache, die Zwei- und Mehrsprachigkeit bedürfen daher besonderer Beachtung.