(1) Die Autonome Provinz Bozen, nachfolgend als Land bezeichnet, erkennt in Übereinstimmung mit den Verfassungsgrundsätzen, den geltenden Gesetzen, den Resolutionen der Vereinten Nationen (UNO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) sowie den Entschließungen und Programmen der Europäischen Union an, dass alle Formen und Ausmaße von Gewalt gegen Frauen eine Verletzung der Menschenrechte, der persönlichen Würde und der individuellen Freiheit und Sicherheit, eine Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Unversehrtheit und Gesundheit sowie eine Einschränkung des Rechts auf volle Staatsbürgerschaft darstellen.
(2) Das Land verpflichtet sich, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Südtirol frei von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder werden kann.
(3) Das Land verfolgt mit diesem Gesetz im Rahmen seiner Zuständigkeiten und Befugnisse und unter Beachtung der geltenden staatlichen und EU-Bestimmungen folgende Ziele:
- Es verurteilt, unter Berücksichtigung der Grundsätze dieses Artikels, die Anstiftung zur Gewalt und alle Formen von Gewalt gegen Frauen und mitbetroffene Minderjährige, die im häuslichen, außerfamiliären, sozialen und beruflichen Umfeld ausgeübt werden, einschließlich Menschenhandel und Ausbeutung, Zwangsehen, Praktiken der weiblichen Genitalverstümmelung sowie jede andere Art und Weise von Gewaltanwendung,
- es unterstützt gezielte Bildungs-, Präventions- und Sensibilisierungsmaßnahmen zur Förderung einer Kultur der Achtung der grundlegenden Menschenrechte und der geschlechtsspezifischen Unterschiede, um der Anstiftung zur Gewalt und allen Formen von Gewaltausübung, einschließlich struktureller Gewalt, gegen Frauen und mitbetroffene Minderjährige vorzubeugen und entgegenzuwirken und sämtliche Formen der sekundären Viktimisierung zu verhindern,
- es gewährleistet Maßnahmen und Aktionen zum Schutz und zur Unterstützung von Frauen und mitbetroffenen Minderjährigen, die Gewalt erlitten oder miterlebt haben.
(4) Die in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen für Frauen in Gewaltsituationen werden nach den Grundsätzen der Selbstbestimmung umgesetzt, wobei die von der Frau benötigte Zeit und die Freiwilligkeit ihrer Teilnahme an den vorgeschlagenen Programmen respektiert werden. Die Maßnahmen werden ohne jegliche Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität, sexueller Orientierung, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Sprache, Religion, politischer Orientierung, Gesundheitszustand, Behinderung, wirtschaftlicher Lage und anderer potenziell diskriminierender Bedingungen durchgeführt.