(1) In den Fällen und unter den Umständen laut nachfolgenden Absätzen können die Vergabestellen öffentliche Aufträge mittels Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Ausschreibung vergeben, wobei sie dies im ersten Verfahrensakt mit angemessener Begründung unter Berücksichtigung der besonderen Sachlage und der Merkmale der potenziell betroffenen Märkte und ihrer Dynamik sowie unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze im Bereich der öffentlichen Vergaben, rechtfertigen müssen. Zu diesem Zweck berücksichtigen die Vergabestellen die Ergebnisse etwaiger Marktkonsultationen, die auch der Analyse der europäischen oder gegebenenfalls außereuropäischen Märkte dienen. Bei öffentlichen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen kann in den folgenden Fällen auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung zurückgegriffen werden: 71)
- wenn im Rahmen eines offenen oder nichtoffenen Verfahrens keine oder keine geeigneten Angebote oder keine oder keine geeigneten Teilnahmeanträge abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Auftragsbedingungen nicht grundlegend geändert werden und sofern der EU-Kommission auf Anforderung ein Bericht vorgelegt wird; ein Angebot gilt als ungeeignet, wenn es irrelevant für den Auftrag ist, das heißt ohne wesentliche Abänderung den in den Auftragsunterlagen genannten Bedürfnissen und Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers offensichtlich nicht entsprechen kann. Ein Teilnahmeantrag gilt als ungeeignet, wenn der Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden muss oder kann oder wenn er die vom öffentlichen Auftraggeber genannten Eignungskriterien nicht erfüllt,
- wenn die Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen aus einem der folgenden Gründe nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer erbracht beziehungsweise bereitgestellt werden können:
- Schaffung oder Erwerb eines einzigartigen Kunstwerks oder einer einzigartigen künstlerischen Leistung als Ziel der Auftragsvergabe,
- nicht vorhandener Wettbewerb aus technischen Gründen,
- Schutz von ausschließlichen Rechten, einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums,
- soweit dies unbedingt erforderlich ist, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Fristen einzuhalten, die für die offenen oder die nichtoffenen Verfahren oder die Verhandlungsverfahren vorgeschrieben sind. Die angeführten Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen auf keinen Fall dem öffentlichen Auftraggeber zuzuschreiben sein.
(2) Die in Absatz 1 Buchstabe b) Ziffern 2) und 3) festgelegten Ausnahmen gelten nur dann, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. 72)
(3) Bei öffentlichen Lieferaufträgen kann in folgenden Fällen auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung zurückgegriffen werden:
- wenn es sich um Produkte handelt, die ausschließlich zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken hergestellt werden; allerdings dürfen Aufträge, die gemäß diesem Buchstaben vergeben wurden, nicht die Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit des Produkts oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten umfassen,
- bei zusätzlichen Lieferungen des ursprünglichen Unternehmers, die entweder zur teilweisen Erneuerung von Lieferungen oder Einrichtungen oder zur Erweiterung von bestehenden Lieferungen oder Einrichtungen bestimmt sind, wenn ein Wechsel des Unternehmers dazu führen würde, dass der öffentliche Auftraggeber Lieferungen mit unterschiedlichen technischen Merkmalen kaufen müsste und dies eine technische Unvereinbarkeit oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung mit sich bringen würde; die Laufzeit dieser Aufträge sowie der Daueraufträge darf in der Regel drei Jahre nicht überschreiten,
- bei auf einer Warenbörse notierten und gekauften Lieferungen,
- wenn Lieferungen oder Dienstleistungen zu besonders günstigen Bedingungen bei Lieferanten, die ihre Geschäftstätigkeit endgültig einstellen, oder bei Masseverwaltern/Masseverwalterinnen oder Liquidatoren/Liquidatorinnen im Rahmen eines Insolvenz-/Konkurs-, Vergleichs- oder Ausgleichsverfahrens erworben werden.
(4) Das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung kann für öffentliche Dienstleistungsaufträge verwendet werden, wenn der betreffende Auftrag im Anschluss an einen gemäß der Richtlinie 2014/24/EU durchgeführten Wettbewerb nach den im Wettbewerb festgelegten Bestimmungen an den Gewinner oder einen der Gewinner ex aequo des Wettbewerbs vergeben werden muss; im letzteren Fall müssen alle Gewinner des Wettbewerbs zur Teilnahme an den Verhandlungen aufgefordert werden.
(5) Das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung kann bei neuen Bau- oder Dienstleistungen verwendet werden, die in der Wiederholung gleichartiger Bau- oder Dienstleistungen bestehen, die von demselben öffentlichen Auftraggeber an den Wirtschaftsteilnehmer vergeben werden, der den ursprünglichen Auftrag erhalten hat, sofern sie einem Grundprojekt entsprechen und dieses Projekt Gegenstand des ursprünglichen Auftrags war, der nach einem Verfahren mit Veröffentlichung vergeben wurde. Im Grundprojekt sind der Umfang möglicher zusätzlicher Bau- oder Dienstleistungen sowie die Bedingungen, unter denen sie vergeben werden, anzugeben.
(6) Die Möglichkeit der Anwendung dieses Verfahrens wird bereits beim Aufruf zum Wettbewerb für das erste Vorhaben angegeben; der für die Fortführung der Bau- oder Dienstleistungen in Aussicht genommene Gesamtauftragswert wird vom öffentlichen Auftraggeber in Hinsicht auf die Anwendung der Schwellenwerte laut Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU berücksichtigt. Dieses Verfahren darf jedoch nur binnen drei Jahren nach Abschluss des ursprünglichen Auftrags angewandt werden.
(7) Die Vergabestellen ermitteln, soweit möglich, die zu konsultierenden Wirtschaftsteilnehmer auf der Grundlage von vom Markt bezogenen Informationen über die wirtschaftlichen, finanziellen, technischen und beruflichen Qualifikationsmerkmale und wählen unter Beachtung der Grundsätze der Transparenz, des Wettbewerbs und der Rotation mindestens drei Wirtschaftsteilnehmer aus, sofern es geeignete Subjekte in dieser Anzahl gibt. Die Vergabestelle wählt den Wirtschaftsteilnehmer, der die günstigsten Bedingungen gemäß Artikel 33 angeboten hat, nachdem sie festgestellt hat, dass die Teilnahmeanforderungen erfüllt sind, die für die Vergabe von Aufträgen mit gleichem Betrag im Wege eines offenen, nichtoffenen oder Verhandlungsverfahrens vorgesehen sind. 73)